Einmal Jerusalem und zurück – Land und Leute

Wie nun schon zum wiederholten Male habe ich dieses Jahr erneut den International Astronautical Congress besucht, die größte Raumfahrtkonferenz der Welt. Der diesjährige Kongress fand in Jerusalem statt, leider gerade in einer Zeit, in der die Spannungen zwischen Palästinensern und jüdischen Israelis wieder hochkochen, denn es kam in der Konferenzwoche vermehrt zu Aufständen und Auseinandersetzungen mit mehreren Toten. Auch unweit des Konferenzzentrums. Die Aufstände sind auch jetzt noch nicht beendet.

Nun ist die Lage in Israel ja hinlänglich bekannt gewesen, auch wenn zu dem Zeitpunkt als ich meinen Artikel, bzw. Vortrag, bei der Konferenz eingereicht habe und auch zum Zeitpunkt der Annahme dieses Vortrags nicht abzusehen war, dass die Situation so eskalieren würde. Andererseits muss man in einem Gebiet, was zumindest teilweise besetztes Staatsgebiet ist, natürlich auch damit rechnen, dass es zu Auseinandersetzungen kommt. Die Unsicherheit der Lage war auch daran zu merken, dass dieses Mal nur gut die Hälfte der üblichen Zahl an Delegierten auf dem IAC waren und wichtige Vertreter wie ESA und NASA erst gar nicht mit einem eigenen Stand auftraten (allerdings Delegierte vor Ort hatten).

Jerusalem hat mich vor allem wegen seiner historischen und kulturen Bedeutung gereizt und stand schon länger auf meiner Reiseliste – die Chance für eine Konferenz dorthin zu fahren, wollte ich nicht verstreichen lassen. Es gibt wohl wenige Städte, die soviele Kulturen beeinflusst haben und die so geschichtsträchtig sind. Zumindest für die westliche Geschichte.

Historie der Stadt

Die Ursprünge Jerusalems sind heute nicht mehr eindeutig rekonstruierbar. Die „offizielle“ Geschichte, die Israel vertritt ist in der Bibel niedergeschrieben, nach der Jerusalem durch König David erobert und von ihm zur Haupstadt der israelitischen Stämme erhoben wurde. Israel unterliegt im Krieg gegen Babylon und wird in das babylonische Reich einverleibt, die jüdische Oberschicht nach Babylon verschleppt, die Stadt zerstört. Erst nach mehreren Jahrzehnten dürfen die Juden in ihre Heimat zurückkehren, nachdem die Perser Babylon erobern. Dort errichten sie ihren Tempel neu.

Schließlich jedoch – die vielleicht bekannteste Epoche – wurde Jerusalem und Palästina von den Römern eingenommen und bleibt bis ins 7. Jahrhundert nach Christus Teil des römischen Reiches und wird eine typische, römische Stadt. Im Jahre 614 greifen die Sassaniden, unterstützt von den Juden, die Stadt an und können sie vom Oströmischen Reichen erobern, allerdings hält der Pakt zwischen Sassaniden und Juden nicht, so dass sie ihre Stadt dennoch nicht betreten dürfen und gut zehn Jahre später fällt sie zurück an Ostrom.

Aber auch diese Besitzverhältnisse halten nicht lange, denn 637 wird die Stadt schließlich durch islamische Araber erobert, was eine fast mehrere Jahrhunderte lange islamische Prägung der Stadt begründet, wobei die Stadt immer wieder zu verschiedenen Fraktionen innerhalb des Islams gehört. Häufig kommt es in der Stadt zu Pogromen, Enteignungen und Vertreibungen auch zwischen Muslimen.

Im Jahre 1099 wird die Stadt schließlich durch Kreuzfahrer erobert und zur Hauptstadt des christlichen Königreichs Jerusalem, welches knapp 200 Jahre existiert, bevor es durch islamische Eroberungen zerstört wird.

An dieser Stelle kann man schon feststellen, welche Kulturkreise der Stadt große Bedeutung zumaßen. Das jüdische Volk sieht in Jerusalem seine Heimat und vor allem die ursprüngliche Städte seiner Tempel – noch heute ist die einstige Westmauer des zweiten Tempels, welcher durch Rom zerstört wurde, ein heiliger Ort für Juden und der Ort, wo sie Gott am nächsten sein können. Für Christen ist Jerusalem nicht nur der Ort des Wirkens des Messias, sondern auch seine Grabstätte und für Muslime findet sich in Jerusalem der Ort, wo Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte und Mohammed in den Himmel emporritt.

Felsendom, der Ort, wo Mohammed die Erde verließ - im Hintergrund, dicht daran, die christliche Kirche zur Verehrung von Maria Magdalena.
Felsendom, der Ort, wo Mohammed die Erde verließ – im Hintergrund, dicht daran, die christliche Kirche zur Verehrung von Maria Magdalena.

Im 16. Jahrhundert wird Jerusalem Teil des Osmanischen Reiches und erst Ende des ersten Weltkriegs an die Briten kampflos übergeben – aufgrund der religiösen und kulturellen Bedeutung wollte man Kämpfe in der Stadt verhindern. Eigentlich schade, dass von dieser Haltung nicht viel geblieben ist.

Die Stadt bleibt danach UN Mandat der Briten, bis der westliche Teil schließlich zur Haupstadt des jüdischen Staates Israel wird, nachdem sich Israel für unabhängig erklärt und den nachfolgenden Krieg für sich entscheidet. Wehrmutstropfen blieb, dass es dem Königreich Jordanien gelang Ostjerusalem zu besetzen, die jüdischen Besitzungen dort zu zerstören und vor allem den Zugang zur Westmauer, besser bekannt als Klagemauer, zu verwehren.

1967 folgte der Sechstagekrieg, welchen Israel gegen Ägypten, Jordanien und Syrien für sich entscheiden kann und damit endet, dass Israel ganz Jerusalem erobert hatte und zu seiner Haupstadt ernannte, was – wie mir gar nicht bewusst war – nicht von der Staatengemeinschaft anerkannt wird.

Die Lage Heute

Bei meinem Besuch in Jerusalem war vor allem zu merken, dass es zwei sehr wesentliche Unterschiede gibt – allerdings habe ich bei weitem nicht alles gesehen. Die westlichen Teile der Stadt sind sehr wohlhabend. Es wird viel gebaut, zahlreiche, moderne Hochhäuser stehen bereits in der Stadt. In den östlichen Teilen sind die Wohn- und Bauzustände schlechter, die Häuser kleiner, in schlechterem Zustand und insgesamt die Verhältnisse ärmer. Prototypenhaft ist dieses Bild vor allem auch in der Altstadt erkennbar: das jüdische Viertel verfügt über weite Straßen und Plätze, moderne Gebäude, während die arabischen Teile vor allem eng und stark bebaut sind. Die Ursache liegt dabei vor allem darin begründet, dass das jüdische Viertel einst von Jordanien zerstört worden ist und erst nach der Rückeroberung durch Israel wieder aufgebaut wurde, so dass entsprechend planerisch vorgegangen wurde. Dennoch bleibt es Fakt, dass das arabische Viertel sehr eng und dicht bevölkert ist, während der Eindruck des jüdischen Viertels eher wohlhabend und luxuriös ist.

Jerusalemer Altstadt. Links: Blick über das arabische Viertel. Rechts: Eindruck des jüdischen Viertels.
Jerusalemer Altstadt. Links: Blick über das arabische Viertel. Rechts: Eindruck des jüdischen Viertels.

Leute

Ohne dies wertend oder verallgemeinern zu wollen, ist mein Eindruck der Menschen vor Ort eher nicht besonders gut. Nun hatte ich vor allem mit Dienstleistern zu tun und dabei ist vor allem auffallend gewesen, dass den meisten Ihre Arbeit offenbar lästig war und sie dies einen auch deutlich haben spüren lassen. Es wurde häufig nicht einmal der Anflug von Höflichkeit versucht. Das reichte vom Verkäufer im Supermarkt, bis hin zur Rezeptionskraft im Hotel. Einige Ausnahmen gab es allerdings ebenso – z.B. der sehr freundliche Taxifahrer, der mich am Samstag mitten in der Nacht (vor 4 Uhr) zum Flughafen gefahren hat. Er war sehr hilfsbereit und war kaum davon abzubringen mir mein Gepäck zu tragen.

Auffällig ist, dass die meisten Leute, vom Reinigungs- bis Sicherheitspersonal, inklusive Polizei und Militär, vor allem mit ihren Klugfonen beschäftigt sind und am Handy herumspielen.

Abgesehen davon ist des Jerusalemers liebstes Spielzeug die Autohupe. Fast ständig ist diese zu hören – völlig grundlos, denn die Straßen sind natürlich in so einer großen Stadt ständig überfüllt. Und wenn voll ist, ist nun einmal voll, da bringt auch Hupen nichts. Trotzdem wird mit der Hupe jeder lautstark und langanhaltend bestraft, der einem anderem im Weg ist. Das scheint in Deutschland schon schlimm zu sein, aber in Jerusalem war dies noch um ein vielfaches stärker.

Sicherheit

Man sollte sich nichts vormachen – Israel bleibt ein sicherheitskritisches Land, gerade auch in Jerusalem. Meine erste „Bekanntschaft“ in Israel war eine stichprobenartige Befragung durch Flughafensicherheitspersonal, welche mich ausfragte und dabei offenbar versuchte mich in Widersprüche zu verwickeln. Auch wenn eine Bemühen um Sicherheit sicherlich redlich ist, bringt man nach 14 Stunden Reise, die mitten in der Nacht begonnen hat, nur wenig Begeisterung dafür auf, geschweige denn Konzentration. Insgesamt wurde ich drei mal „stichprobenartig“ befragt, was sicherlich meinem typisch arabischen Aussehen geschuldet ist – blond und blauäugig. o.O Auch dabei wurde vor allem die Unhöflichkeit der Sicherheitsleute deutlich. Außerdem haben die ständigen Kontrollen für mich vor allem mehr Unsicherheit erzeugt, denn man wird dadurch ständig darauf aufmerksam gemacht, welche Gefahr droht, von einer effektiven Abschreckung bin ich allerdings nicht überzeugt.

Dies gilt ebenso für die zahlreichen Patrouillien, die vor allem in der Altstadt zu finden sind.

Positiv ist allerdings zu vermelden, dass in Jerusalem auch wirklich der Ausweis kontrolliert wird und nicht nur die Bordkarte, wenn man sich im Flughafen aufhält. In Europa ist dies – rechtswidrig – nicht üblich, stattdessen wird einfach nur die Bordkarte geprüft. Das bedeutet, dass man diese nach dem Einchecken leicht jemand anderem geben kann und dieser dann stattdessen ins Flugzeug steigt.

Krieg und Frieden

Eine erschöpfende Auseinandersetzung mit dem Land und vor allem der politischen Dimension des Nahost-Konflikts kann wohl kaum mit einem einzelnen Blogartikel gelingen, allerdings hat sich mein Verdacht bestätigt, dass der Konflikt eigentlich überhaupt nichts mit Religion zu tun hat und eigentlich viel mehr mit unseren aktuellen Problemen in Deutschland und Europa, eigentlich der ganzen Welt, als man denkt. Der Naohstkonflikt ist auch kein Nahostkonflikt, sondern ein Konflikt zwischen Lebenswirklichkeiten, effektiv zwischen arm und reich, zwischen perspektivlos und im Überfluss lebend.

Aus dem selben Grund warum in Israel Palästinenser mit Messern oder anderen Waffen auf Menschen losgehen, steinewerfend gegen Polizei und Armee anstürmen, tun dies auch Menschen in Amerika oder Frankreich. Sie haben keine Perspektive. Die Palästinensergebiete in Israel sind eigentlich eher große Gefängnisse, Hoffnung auf Besserung der Lebenslage gibt es für die Menschen nicht. Wenn einmal etwas aufgebaut ist, wird es durch die nächsten Angriffe wieder zerstört. Studieren, einen Beruf erlernen, die eigene Zukunft gestalten, ist für diese Menschen nicht möglich. Sie leben von der Hand in den Mund. Gerade die Jerusalemer Altstadt zeigt dies deutlich. Juden, Muslime, Christen leben dort – häufig friedlich – dicht beieinander. Aber in sehr verschiedenen Lebenssituationen. Würde es sich aber um eine Religionsangelegenheit halten, würden muslimische Händler wohl kaum christliche oder jüdische Glaubensgegenstände verkaufen, wie gesegnete Kreuze, etc. Sollte man nicht annehmen, dass sie im Falle einer religiös begründeten Feindschaft nur muslimische verkaufen würden?

Die engen Martkstände reihen sich in den Straßen der Altstadt aneinander, häufig wird man – wenig vertrauenserweckend und recht barsch – angesprochen ob man nicht in den Laden des jeweiligen Verkäufers hineingehen möchte, um sich dort etwas anzusehen. Allerdings sind die Waren der meisten Stände auch identisch, bzw. unterscheiden sich nur geringfügig. Auffällig ist, dass ausschließlich Nicht-Juden an diesen Ständen Waren verkaufen, denn Juden erkennt man an den Kippas oder Hüten.

Diese Trennung innerhalb der Gesellschaft ist hausgemacht und staatlich gewollt. In den Begrüßungsreden der Würdenträger zu Konferenzbeginn, z.B. des israelischen Präsidenten (per Videobotschaft), des Ministers für Forschung, des Jerusalemer Bürgermeisters und anderen, wird deutlich, dass die Machthaber im Land Juden sind und sich Israel als jüdischen Staat sieht. In der Einleitung erklärt der Minister, dass Jerusalem seit 3000 Jahren die Hauptstadt des jüdischen Volkes ist. Abgesehen davon, dass er dabei unterschlägt, dass Jerusalem viele Jahrhunderte nicht nur nicht Haupstadt der Juden war, sondern von ihnen nicht einmal betreten werden konnte, ist die viel wichtigere Unterschlagung, dass ungefähr 20% der Bevölkerung keine jüdischen Wurzeln hat. Es ist damit eine eklatante Ausgrenzung dieser 20%, wenn man davon spricht, dass Jerusalem die Haupstadt des jüdischen Volkes ist. Eine Ausgrenzung, die auch durch die Verwendung des Davidsterns auf der Nationalflagge Israels zementiert wird. Wenn man 20% der Bevölkerung von Staatswegen her desintegriert, zu Bürgern zweiter Klasse macht, muss man sich nicht wundern, wenn sie gegen diesen Staat aufbegehren. Natürlich sind dies in erster Linie Worte und Formulierungen, die aber deutlich die Geisteshaltung der Verantwortungsträger aufzeigt. Eine Geisteshaltung, die sich auch durch illegalen Siedlungsbau fortsetzt. Wie würden Deutsche reagieren, wenn plötzlich Angehörige eines anderen Landes Gebiete besetzen und bebauen würden, obwohl dies vertraglich und völkerrechtlich untersagt ist?

Eine große Stellung haben in Israel auch Militärangehörige. Sowohl Männer als auch Frauen werden zum Wehrdienst eingezogen, Militärangehörige bekommen allerdings dafür auch viele Vergünstigungen, wie kostenlose Eintritte oder einen eigenen Feiertag. Palästinenser dürfen natürlich nicht in der Armee dienen, so dass sie auch von dieser Möglichkeit sich verdient zu machen, ausgeschlossen sind.

Solange Israel nicht alle Bürger seines Landes gleich behandelt, so lange wird es dort keinen Frieden geben. Zwar gibt es Ansätze dies zu erreichen, wie die Tatsache, dass Verkehrsschilder stets dreisprachig Auskunft geben – in Ivret (Neu-Hebräisch), Arabisch und Englisch – aber dies sind Kleinigkeiten.

Ebenso befremdlich ist die Fokussierung der Führung auf negative Dinge. So eröffnet der Präsident Israels seine Rede auf dem Kongress mit dem Tod von Ilan Ramon – einem Astronauten, welcher beim Absturz des Space Shuttles Columbia ums Leben kam. Und natürlich trägt auch der Holocaust zur Identitätsfindung bei. Zwar bin ich der Meinung, dass dieser nicht vergessen werden darf, allerdings halte ich die Art und Weise für nicht angemessen. Ich halte es für wichtiger, dass Deutschland sich an den Holocaust erinnert als das dies die Menschen in Israel tun, denn welchen Sinn sollte es haben, dass man sich so stark an das vergangene Leid erinnert? Sollte man nicht optimistischer auf die Zukunft blicken, statt furchtsam in die Vergangenheit?

Dies ist die eine Seite der Medaille. Allerdings gibt es auch auf der anderen Seite Dinge, die eine Integration und das friedliche Zusammenleben erschweren. Erst einmal ist da die unmissverständliche Gewaltbereitschaft der Palästinenser, die zwar ggf. als Verzweiflungstat nachvollziehbar ist, in ihrer Wahllosigkeit, der auch Kinder zum Opfer fallen, aber in jedem Fall ungerechtfertigt ist. Gewalt kann keine Lösung sein, die ein friedliches Zusammenleben fördert und bestätigt nur Befürchtungen der anderen Seite.

Bei der letzten Wahl haben sich die Palästinenser mehrheitlich für die Hamas entschieden, welche auf dem Programm hatte: Vernichtung des Staates Israels und Krieg. Nun, diesen hat man anschließend bekommen, nur um sich dann medienwirksam über die Brutalität der Israelis zu beklagen.

Ich habe während meines Aufenthalts einen interessanten CNN Bericht gesehen, in dem es um den Fall eines palästinensischen Jungen ging, der erschossen wurde. Man zeigte deutlich, wie voreingenommen die Presse darüber berichtet auch und gerade in westlichen Ländern, wie den USA, England und Deutschland. Die Schlagzeile berichtete von zwei Jungen, die von der israelischen Armee erschossen worden waren. Abgesehen davon, dass die Jungen „nur“ verletzt (und im Krankenhaus behandelt) wurden, so waren sie auf jüdische Altersgenossen mit Messern losgegangen – ein Umstand, der in vielen Artikeln nicht erwähnt wurde. Warum? Wie hätte das Militär auch darauf reagieren sollen? Zusehen?

Mordend durch eine Stadt ziehen kann keine Lösung für einen nachhaltigen Frieden sein.

Hinzukommt ein Umstand, der einem erst bei genaurem Hinsehen auf die Karte auffällt und vielleicht sogar erst, wenn man durch das Land fährt: Es ist klein. Sehr klein. Die Tatsache, dass Israel von Ländern umgeben ist, die ihm entweder das Existenzrecht absprechen oder bereits gegen es Krieg geführt haben und im Falle eines militärischen Überfalls innerhalb weniger Stunden in der Haupstadt des Landes wären, bzw. wo die Hauptstadt direkt Frontgebiet wäre, erklärt sicherlich Israels Härte und häufige Demonstration von Stärke. Nachgiebigkeit kann sich das Land nicht erlauben, wenn es nicht überrannt werden soll.

Kultur

Ich möchte bei meinem Reisebericht aber auch auf mehr eingehen, als die Sicherheitslage. Ich denke, ich kann behaupten, dass ich noch nie in einem Land gewesen bin, welches kulturell so vielfältig und geschichtsträchtig gewesen ist, wie Israel. In der kurzen Zeit, die ich im Land gewesen bin, habe ich Kulturgegenstände aus allen Epochen der Menschheitsgeschichte gesehen, von zahlreichen Kulturen und ich halte es für eine besondere Gabe, diese auch gekonnt und informativ zur Schau zu stellen.

Dies fängt bei biblischen Schriftrollen an, welche in einer Präzision geschrieben wurden, die man bei einem modernen Drucker und nicht einem Schreiber von vor einigen Tausend Jahren, vermuten würde. Auch hier fällt auf mit welcher Achtung und Würdigung auch muslimische Kultur- und Kunstgegenstände ausgestellt werden.

5000 Jahre alte Kultgegenstände im Israel Museum.
5000 Jahre alte Kultgegenstände im Israel Museum.

Im Israel-Museum beginnt die Ausstellung mit prähistorischen Gegenständen und zeigt alles von jüdischer, persischer, römischer, kreuzzüglicher und islamischer Kultur.

Gerade die Tatsache, dass dieses Land die Wurzel für eine so große Vielfalt von Kulturen ist, sollte eingentlich bedeuten, dass hier ein Potential herrscht Menschen zu vereinen und nicht zu trennen – nach christlich, mittelalterlicher Vorstellung war Jerusalem der Mittelpunkt der Welt.

Jerusalem als Mittelpunkt der Welt - in christlich, mittelalterlicher Vorstellung beim Grab von Jesus.
Jerusalem als Mittelpunkt der Welt – in christlich, mittelalterlicher Vorstellung beim Grab von Jesus.

Aus meinem Israelbesuch nehme ich neben den fachlichen Dingen vom Kongress vor allem die Erkenntnis mit, dass ein kulturell so reiches Land wie Israel auch nicht vor Unvernunft gefeit ist. Gerne würde ich in der Zukunft das Land noch einmal ausgiebiger erkunden und die kulturellen Schätze entdecken – allerdings nicht in der aktuellen politischen Lage.

Israel zeigt auch deutlich, welche Folgen es hat, wenn man es nicht schafft alle Menschen zu einer Bevölkerung zu integrieren, sondern nur einen Teil davon. Welche Folgen es hat, wenn man aufgrund von Ethnie, Religion oder vor allem Gesellschaftsschicht ausgegrenzt ist und dass eine Gesellschaft daran zwangsläufig scheitern muss. Dabei wäre Erfolg nicht schwer – man müsste nur über den eigenen Schatten springen und anderen Menschen das Gefühl von Respekt und Würde geben und die Möglichkeit, die Hoffnung das eigene Leben gestalten zu können.

Die Historie hat schon gezeigt, dass nur eine integrierte Gesellschaft bestehen kann. Schaut man sich an woran das Römische Reich gescheitert ist, dann ist dies genau das Versagen an dieser Stelle gewesen. Man versuchte Zuwanderer aus der Gesellschaft herauszuhalten. Verwehrte ihnen Rechte und Möglichkeiten, bis sie sich diese nahmen. Justinian der I. versuchte dies rückgängig zu machen, scheiterte aber, da er mit Macht beugte, nicht integrierte und nach seinem Tod die Gesellschaft wieder zerfiel. Theoderich der I. versuchte ebenfalls durch eine starke Hand eine Gesellschaft zu errichten, allerdings verbot er Vermischung mit der lokalen Bevölkerung – auch sein Reich ging mit seinem Tod unter. Dagegen schaffte es Chlodwig I. die Bevölkerung zu einen, Mischehen waren erlaubt, kultureller Austausch gefördert – und so prägte er Europa über Jahrhunderte.

So kann uns Israels Situation als Warnung dienen, welche Folgen es hat, wenn man Menschen nicht im Land integrieren kann und gleichwertig behandelt. Dann kann es keinen Frieden geben.

Abschließend möchte ich anmerken, dass solche Gedanken leicht vom Sofa aus zu formulieren sind, aber ein Umsetzen in der bedrohlichen Lage vor Ort – auf beiden Seiten – sicherlich weit schwieriger ist. Aber vielleicht kann es ja irgendwann gelingen.

2 Kommentare zu „Einmal Jerusalem und zurück – Land und Leute

  1. Gerhard Maiwald 24/10/2015 — 17:39

    Wir waren auch einige Tage in Jerusalem, schon vor einer Weile, die Situation scheint sich wenig verändert zu haben, wie auch? Es geht –
    wie Du richtig schreibst, den wenigsten um Glauben, aber viele leben
    von diesem Konflikt und sind wenig an seinem Ende interessiert.
    Liebe Grüße
    Gerhard

  2. Gerhard Maiwald 02/02/2016 — 08:49

    Ich habe Angela Merkel nicht gewählt, aber ich verteidige sie jetzt.
    Ich fürchte, trotz Petry, von Storch und anderen Hetzern wird die
    AFD großen Zulauf erhalten, ich denke immer daran, dass Hitler
    auch „gewählt“ wurde.
    Liebe Grüße

    Gerhard

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